In der Vergangenheit stand meist nur der Ertrag im Fokus der Landwirtschaft. Überdüngte Böden und mit Nitrat verunreinigtes Grundwasser sind einige der Folgen. In Wilstedt geht man nun einen anderen Weg: weg vom Ertrag und hin zu besserer Bodenqualität. Glaubt man den Verantwortlichen, könnte aus dem 1700-Seelen-Ort ein wichtiges Signal in Richtung Berlin gehen.

VON SASKIA HARSCHER

Wilstedt – Hermann Cordes hält eine Rübenpflanze in der Hand. Die Frucht ist gerade einmal so groß wie eine Kartoffel. Völlig normal, sagt Cordes, denn die Ernte steht frühestens im Oktober an. Trotzdem erfreut die Pflanze die Umstehenden am Ortsrand von Wilstedt an diesem Nachmittag. Warum? Die Wurzel ist bereits jetzt erstaunlich lang. Ein gutes Zeichen für die Rübe. Denn so kann sie besser Nährstoffe aus dem Boden ziehen, ist weniger anfällig für Krankheiten und könnte auch längere Phasen ohne Regen überstehen.

Und noch etwas kann Landwirt Cordes daran ablesen: Der Boden hat eine gute Qualität. Und genau dieser Boden ist der Grund dafür, dass sich die zwölf Frauen und Männer dort auf dem Rübenacker versammelt haben.

Seit diesem Frühjahr findet auf der vier Hektar großen Fläche ein mehrjährig angelegter Feldversuch statt. Eingeteilt in vier gleichgroße Parzellen wachsen dort Zuckerrüben. Während ein Teil der Pflanzen nach den Vorgaben der Landwirtschaftskammer versorgt wird, kommt auf den anderen beiden Flächen ein Düngesystem aus Österreich sowie ein in den Niederlanden entwickeltes Verfahren zur Gülleaufbereitung zum Einsatz. Wie Pé Schuiringa von der Firma Rinagro erklärt, setzt sein Unternehmen darauf, durch den Einsatz von Bakterien und Schimmel bereits während der Lagerung die Gülle so zu bearbeiten, dass hinterher weniger Nährstoffe ausgewaschen werden. Der so aufbereitete Stickstoff in der Gülle entweiche weder in die Luft noch ins Grundwasser.

Auf eine Verbesserung des Bodens setzt ein in Österreich entwickeltes Düngesystem. Ulrich Völker von der Firma Akra verweist auf eine genaue Bodenanalyse. Allein 125 Parameter würden ausgewertet und diese Erkenntnisse anschließend zur Optimierung der Böden eingesetzt. Auf diese Weise konnte in Wilstedt jetzt schon 15 Prozent weniger Stickstoff eingesetzt werden, sagt er.

„Für uns ist das unheimlich wichtig“, sagt Cordes. Er gehört zu einer Gruppe von etwa 50 konventionell arbeitenden Landwirten, die schon seit mehreren Jahren immer wieder auf die Probleme Grundwasserschutz, Überdüngung und Bodenerosion hingewiesen haben. Bis nach Berlin sind die Landwirte gegangen, haben das Gespräch mit den zuständigen Behörden gesucht. Es ging ihnen um das Ausloten von Möglichkeiten, auch um Fördergelder. Allerdings verlief die Suche lange Zeit ergebnislos. Schade, sagt Cordes: „Wir haben keine zehn Versuche mehr.“ Heißt: Es muss jetzt was passieren, denn Bodenoptimierung schafft man nicht von heute auf morgen. „Das ist ein langer Prozess“, weiß auch Matthias Ringen aus Rhade. Der Landwirt hat die Idee vom neuen Blickwinkel, nämlich Landwirtschaft aus Sicht des Bodens zu betrachten, initiativ in die Region gebracht.

Vielleicht, so sagen sie es bei dem Treffen in Wilstedt, können die Erfahrungen dort sogar Auswirkungen auf politische Entscheidungen haben. Denn es geht nur Miteinander, betonen sie. Politische Vorgaben ohne Austausch mit den Landwirten bewerten sie als wenig zielführend.

Für die kommenden zwei Jahre ist das Gemeinschaftsprojekt von Landkreis, dem niedersächsischen Kompetenzzentrum 3N, der Landwirtschaftskammer und den Unternehmen aus Österreich und den Niederlanden gesichert. Die EU gibt dafür Fördergelder von insgesamt 40 000 Euro. Ringen ist überzeugt davon, dass das Projekt auch seine Berufskollegen überzeugen wird: „Wenn man versteht, worum es geht, wird jeder beipflichten, dass es richtig ist.“  zz

Bron: kreiszeitung.de